Mitten im Busch

Julia Bösch über ihren Einsatz als Gynäkologin in Sierra Leone. Im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten.

Eine Eileiterschwangerschaft: Julia Christina Bösch muss den Bauch der Patientin öffnen. Sie tut es mit einem gezieltem Schnitt. Gleich danach fährt eine OP Schwester mit einer Schöpfkelle in die klaffende Wunde, entnimmt damit Blut, um eine Eigenbluttransfusion durchführen zu können. Die Frau hat dank dieses Manövers überlebt. Dafür ist Julia Bösch dankbar.

 

Die Gynäkologin aus Lustenau hat während ihres zweimonatigen Einsatzes in einem Buschspital in Sierra Leone viele solcher Notfälle unter primitivsten Bedingungen behandelt. Doch sie möchte keinen Tag missen. Nicht nur, dass sie mehr denn je schätzt, was das Gesundheitswesen hier zu bieten hat, fühlt sich die junge Frau jetzt für alles gewappnet. „Mich haut so schnell nichts mehr um“, sagt sie und lächelt.

 

Ärzte für Afrika

Julia Bösch hat ihr Medizinstudium in Innsbruck absolviert. Für die weitere Ausbildung ging sie in die Schweiz. Gynäkolgin wurde sie, weil diese medizinische Disziplin alle Emotionen des Lebens vereint. Als Fachärztin wollte Bösch aber auch einmal in einem Dritte-Welt-Land ihre achtjährige Erfahrung einbringen. Im Internet stieß sie auf die „Austrian Doctors“, Partnerorganisation der „German Doctors“, die seit dreißig Jahren Ärzte nach Afrika schickt. „Genau für den Zeitraum, der auch mir gut passte, suchte die Organisation einen Facharzt für Gynäkologie“, erzählt Julia Bösch. Sie bewarb sich und schon im August ging es nach Sierra Leone.

Das Spital Serabu liegt zwar lediglich dreißig Kilometer von der nächst größeren Stadt Bo entfernt, aber dennoch mitten im Busch, erreichbar nur über eine schmale, holperige Straße. „Wir waren mit dem Jeep drei Stunden unterwegs“, berichtet die Ärztin mit Gesangsstudium. Die Umstellung von hier auf dort erwies sich ebenfalls als heftig. „Teilweise stand uns nicht einmal ein richtiger Faden zum Vernähen von OP – Wunden zur Verfügung. „

Das und zahlreiche andere Unzulänglichkeiten sorgten vor allem in den ersten Tagen für einen permanent hohen Adrenalinspiegel. „Bei uns drückt man auf einen Knopf und es rennt. In Serabu war Improvisation alles“, verdeutlicht Bösch den strukturellen Unterschied. Die Intention blieb die gleiche. Es ging darum, Leben zu retten. Gleichzeitig hat die Ärztin auch gelernt wie robust Menschen sein können.

 

14 Zwillingsgeburten

Tagtäglich gab es zahlreiche Patienten zu verarzten oder geburtshilflich einzugreifen. Mit leuchtenden Augen erzählt Julia Bösch von 14 spontanen Zwillingsgeburten, die sie begleitet hat und die alle gut ausgegangen sind. Und davon, dass es nun einige Julias rund um Serabu gibt.

Aber nicht nur medizinisch packen die Ärzte aus dem Westen an. Sie sollen auch das Personal vor Ort ausbilden. „Sierra Leone hat sehr wenige Ärzte, und die wollen nicht in ein Buschspital. Deshalb behilft man sich mit Clinical Health Officers“, erklärt Bösch. Dabei handelt es sich um Personen mit einer dreijährigen Basisausbildung. Die Praxis lernen sie bei Gastärzten.

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