Nach einer mir unendlich vorkommenden Reise von ungefähr 2 Tagen, wurde ich am kleinen Flughafen von Tuguegarao Citiy auf der philippinischen Insel Luzon von meinem Team abgeholt. Von hier fuhren wir nochmal ca. 2h nach Conner, wo unser Doctors- Haus und Office der German Doctors lag.
In meinem neuen zu Hause angekommen, wurde ich gleich herzlich mit einem Willkommensschild und einem traditionellen philippinischen Mittagessen, natürlich selbstgekocht von unserer Haushälterin Johna, empfangen.
Danach durfte ich mich nur kurz von den Anstrengungen meiner Reise erholen, da am Nachmittag Baden am nahen Fluss am Plan stand. Nach einer kurzen Fahrt mit dem TukTuk wurde ich vor die 1. Mutprobe gestellt: vor mir lag eine nicht mehr so ganz stabile Hängebrücke aus Stahlstangen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass diese Hängebrücke die noch am stabilsten gebaute sein würde, über die ich mich trauen musste. Nachdem ich allen Mut zusammenfasste und auch ein bisschen die Augen zudrückte, kam ich schließlich am anderen Ende unversehrt an. Unter mir machten sich ein paar badende einheimische Kinder lustig über mein Zögern, aber ich hatte nur mehr Augen für die wohlverdiente Abkühlung. So viel zu meinem ersten Tag …
Nach einer kurzen Einführung von Regina, meiner deutschen Kollegin für die nächsten 3 Wochen, starteten wir schon am Folgetag mit der Rolling- Clinic.
In meiner ersten Woche standen nur Tagestouren am Plan. Die gut bekannten Barangays (Gemeinden) erwarteten uns schon freudig.
Jeden Tag in der Früh nach der Begrüßung, einem Gebet und dem Aufsuchen der Barangay Health Workers (BHW) gaben wir eine kurze Schulung zu Puls und Blutdruck messen und wiederholten die wichtigsten Regeln der Rolling- Clinic mit unseren freiwilligen Helferinnen. Währenddessen sammelten sich bereits die PatientInnen vor unserer Clinic. Manchmal waren es über 50, manchmal aber aufgrund von Dorfversammlungen, Wahl- oder Schulveranstaltungen weniger. Jedenfalls war die Menge der PatientInnen gut zu zweit zu schaffen und ich war ab und zu dankbar über den einen oder anderen Rat meiner erfahrenen Kollegin.
Häufige Krankheitsbilder waren Ganzkörper-, Rücken-, oder Kopfschmerzen von der harten körperlichen Arbeit auf den Feldern. Schwindel meistens aufgrund des sehr niedrigen Blutdrucks und der zu geringen Flüssigkeitsaufnahme sowie alle möglichen Infekte mit Grippe- Symptomen, Atemnot (Asthma und COPD aufgrund der offenen Feuerstellen in den Häusern zum Kochen), Durchfallerkrankungen (aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse) und ab und zu kamen spezielle PatientInnen mit Krebserkrankungen, Schilddrüsenknoten aber auch mit frischen oder alten Verletzungen.
Ein Fall blieb mir Besonders gut in Erinnerung: eine wahrscheinlich über 90-Jährige Patientin wurde von ihrem Sohn am Rücken zu uns zur Rolling- Clinic gebracht. Sie war sehr dünn, ausgezehrt, jedoch mit auffallend ausgeprägten Beinödemen bis zu den Oberschenkeln und einer massiven Atemnot. Obwohl dort nur sehr selten vorkommend, dachten wir gleich an eine Herzinsuffizienz bzw. an ein wahrscheinliches Lungenödem. Wir verabreichten ihr die wenigen Notfallmedikamente, die wir für solche Fälle zur Verfügung hatten und versuchten der Familie und der Pat. klar zu machen, dass sie ins Krankenhaus müsse. Anfänglich schien dies unmöglich. Wir waren in einem Dorf, das nur zu Fuß erreichbar war, der Sohn, der die Pat. zuvor zur Rolling- Clinic gebracht hatte, war schon wieder zur Arbeit in ein anderes Dorf gegangen, und der letzte Bus in die nächste Stadt ging erst wieder am nächsten Tag. Schließlich gaben wir der Patienten ausreichend diuretische Medikamente und Medikamente für die Atemnot mit, sprachen mit anderen Familienangehörigen, die uns versprachen die Pat. gleich am nächsten Morgen (vermutlich wieder Huckepack) zum Bus zubringen und mit ihr ins Krankenhaus zu fahren. Schließlich schien uns der vereinbarte Plan die beste Möglichkeit, die uns einfiel. Mit einem flauen Gefühl im Bauch packten wir zusammen und begannen unseren Fußmarsch zurück zu unserem Fahrzeug.
Vor solchen Herausforderungen standen wir glücklicherweise nur selten, und selbst wenn jemand ins Krankenhaus gebracht werden musste, fand sich immer jemand aus der Familie oder der Gemeinde, der helfen konnte.
Wenn wir mit der Rolling- Clinic länger auf Tour unterwegs waren, schliefen wir in den Dörfern (mit Isomatten am Boden unter einem Mosquitonetz), wuschen uns in den Flüssen und wurden meistens von Familien in den Dörfern bekocht. Auch kam es vor, dass nach erledigter Arbeit jemand aus dem Dorf kam und mit uns einen Ausflug z.B. zu einem Wasserfall oder in ein anderes Dorf machen wollte.
Die Einheimischen waren meistens sehr aufgeregt und neugierig (besonders die Kinder) aber immer sehr hilfsbereit, zuvorkommend und gastfreundlich, wenn die German/Austrian Doctors auf Besuch kamen.
Zu einem Dorf mussten wir 700 Stufen mit unserem Tagesrucksack und medizinischen Gepäck hinaufgehen. Hier half uns eine über 60- Jährige Frau unseren Medikamentenrucksack, der mind. 10kg wog, am Kopf über die Stufen hinaufzutransportieren. Sie hüpfte mit einer solchen Leichtigkeit über die Stufen, dass ich aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam.
Für mich auch sehr spannend war, dass wir viele PatientInnen mit Epilepsie und psychiatrische PatientInnen behandelten. Hierfür machten wir oft Hausbesuche und wanderten zu weiteren Dörfern, nach unserer üblichen Arbeitszeit.
Insbesondere die psychiatrischen Patienten gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, da viele von Ihnen, bevor die German Doctors nach Luzon kamen, in Käfigen hausen mussten. Aufgrund von Psychosen waren sie oft aggressiv gegenüber Mitmenschen. Der Staat gab den Familien Geld um Käfige, manche so klein, dass die PatientInnen nicht einmal stehen konnten, zu bauen. Dank des Langzeitarztes Dr. Gerhard Steinmaier wurden die PatientInnen mit antipsychotischen Medikamenten versorgt, sodass nun viele von ihnen normal in der Dorfgemeinschaft leben können und auch nicht mehr gefürchtet werden.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mein Einsatz auf Luzon viel lehrreicher, erstaunlicher, aufregender und besser war als ich‘s mir jemals vorstellen hätte können. Insbesondere aber hat mich die Lebensfreude, Herzlichkeit und auch Gastfreundlichkeit der Einheimischen auf unseren Touren am meisten beeindruckt.
Außerdem muss ich an dieser Stelle noch das Team vor Ort besonders hervorheben. Ihnen verdanke ich, dass ich mich über die gesamte Zeit unglaublich wohl und gut aufgehoben gefühlt habe. Auch an Spaß und Blödeleien hat es nie gefehlt, was gerade nach schwierigeren Tagen eine gute Ablenkung war.