Athi River, ein Tag im April 2021, 8.00 a.m., 27 °C:
“It’s cold today” begrüßt mich Jairos, einer der 16 Mitarbeiter im Fanaka Medical Centre. Die Ambulanz Klinik wurde vor knapp einem Jahr eröffnet, ich bin die 4. Ärztin im Projekt. Vieles muss sich noch einspielen, aber das Team arbeitet gut zusammen, die Ambulanz wird von der Slumbevölkerung angenommen, die Patientenzahlen steigen stetig, alle sind motiviert. Auf Bierbänken unter einem Wellblechdach sitzend, warten bereits die Ersten. Mit einem feuchten Tuch wische ich den Staub von meinen Schuhen – es kann los gehen.
Ein hagerer, krank imponierender Mann Anfang 40 stellt sich vor. “Coughing – especially when it’s cold”. Ich bin seit 5 Wochen hier und noch immer versteh ich nicht wann’s am Äquator wirklich kalt ist. Aber gut, Husten seit wann – “last year”. Dann wohl eher kein Corona. Ich denke an Tuberkulose. Vielleicht sind es auch Folgen vom Kochen über Kerosin, oder..? Das Blutbild gibt wenig Information. Ein Röntgen muss vom Patienten selbst bezahlt werden und ist teuer. Also, erstmal Sputum einschicken und abwarten.
Tür auf – Tür zu. Eine Mutter bringt ihr kleines Mädchen zu uns. Hope hat Durchfall. Ihre Mama legt sie auf die Untersuchungsliege ab und überlässt den Rest mir. Also wickle ich sie aus der dicken Decke, ziehe Jacke und Pullover aus – darunter noch langarm Shirt und Body. Ein Wollmützchen hat sie auch. Ich untersuche sie: der Bauch ist unauffällig, keine Anzeichen eines gröberen Flüssigkeitsmangels. Die Mutter kann bei unserem Apotheker eine Elektrolytlösung abholen. Wenn Hope gut trinkt, darf sie nach Hause.
Elisa, meine Übersetzerin, gibt mir die nächste Ambulanzkarte – Ausschlag. Irgendwelche Allergien bekannt? “Ja, Kälte”
Acht Stunden und 130 Patienten später wird das Tor zum Fanaka Medical Centre geschlossen. Dr. Friedemann – mein deutscher Kollege- und ich spazieren an der heißen und staubigen Mombasa Road entlang zurück nach Hause. Am Ende eines Tages schwirren uns viele Gedanken durch den Kopf. Diesmal philosophieren wir über’s Verstehen und das Akzeptieren manches eben nicht zu verstehen. Bald wird die Sonne über dem Kanaani Slum untergehen und ich hoffe, dass es uns heute gelungen ist, diese – mir so ominöse – Kälte zumindest ein Stück weit erträglicher gemacht zu haben.