Mein Einsatz in Dhaka fiel in die ausklingende Monsunzeit. Was die Temperaturen betraf, waren sie zunächst die Fortsetzung des Münchner Sommers, infolge der häufigen Regenfälle aber lag die Luftfeuchtigkeit oft bei über 90%, was viel Schweiß kostete. Nicht gewöhnen konnte ich mich an die unglaubliche Vermüllung und nur schwer auch an die chaotischen Verkehrsverhältnisse. Obwohl ich bald Vertrauen in die Fahrkünste der Bangladeschi fasste, blieb doch angesichts des „fahrenden Schrottes“ und der täglichen Zeitungsberichte über Verkehrsunfälle ein gewisses Misstrauen bestehen. Zudem kosteten Hin- und Rückfahrt zu den Ambulanzen in den Slums oft sehr viel Zeit.
viele viele Hauterkrankungen
In den sechs Wochen meines Aufenthaltes behandelte ich insgesamt ca. 850 Patienten, meine Kollegin ähnlich viele. Es hätten an manchen Tagen durchaus mehr sein können, aber die häufigen Regenfälle und vor allem das Eid ul-Adha-Fest hatten einen merklichen Rückgang der Patientenzahlen zur Folge. Wer eines der begehrten Bus- oder Bahntickets ergattert hatte, war in seinen Heimatort gefahren, um mit den Angehörigen das islamische Opferfest zu feiern. Die Stadt war eine Woche lang wie ausgestorben. Ca. 15% unserer Patienten waren Kinder unter fünf Jahren. Die häufigsten Angaben ihrer Eltern waren „cough and cold“ und Durchfälle. Fast alle Kinder waren untergewichtig, trotzdem bekam ich nur ein Kind mit Marasmus zu Gesicht. In Dhaka scheinen die staatlichen Programme gegen Unterernährung halbwegs gut zu funktionieren.
Bei den älteren Patienten waren neben den chronischen Erkrankungen wie COPD, Hypertonie und Diabetes auffällig viele Hauterkrankungen zu beobachten. Die Diagnose der häufigen Skabies stellte zwar kein größeres Problem dar, aber für die restlichen Dermatosen war mir das Angebot der teledermatologischen Diagnostik von Dr. Heino Hügel eine große Hilfe. Fälle, die ich ihm gegen 18 Uhr Ortszeit per Mail schickte, wurde vom ihm noch am selben Abend mit einer ausführlichen Stellungnahme und einem Therapievorschlag beantwortet. Vielen Dank an Kollegen Hügel für die großartige Hilfe!
Viele erwachsene Patienten schilderten Schmerzen an unterschiedlichsten Körperregionen, ein Zustand, den man eigentlich nur mit „all body pain“ umschreiben kann. Trotz eingehender körperlicher Untersuchung fand sich kaum Greifbares, so dass nichts anders übrig blieb als die Schmerztherapie meiner Vorgänger fortzuführen.
Antibiotikaresistenz ist weit verbreitet
Bei der Therapie von Infektionen waren relativ häufig Therapieversager zu beobachten. In der Literatur sind für Bangladesch extrem hohe Resistenzraten beschrieben. Das ist sicherlich eine Folge des allzu sorglosen Umgangs mit Antibiotika. Zum einen wird immer „blind“ therapiert, da Erregerdiagnostik und Resistenztestung völlig unbekannt sind, zum anderen sind die gängigen Antibiotika zu relativ niedrigen Preisen frei verkäuflich. Viele Patienten wenden sich bei Beschwerden zuerst an eine der zahllosen Apotheken und lassen sich beraten. Sollten sie einen einheimischen Kollegen konsultieren, enthält die Verschreibung unabhängig von den Beschwerden in der Regel immer ein bis zwei Antibiotika – eine Antibiotikaresistenz ist da fast schon vorprogrammiert. Beliebt sind Azithromycin und Cefixim.
Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, sammelte ich zusammen mit meiner Kollegin 39 bakteriologische Proben – Urine, Ohr- und Wundabstriche – nahm sie mit nach Hause und analysierte sie. Ich konnte daraus insgesamt 152 unterschiedliche Keime isolieren und gegen Antibiotika testen. In den 13 Wundabstrichen fanden sich drei MRSA und in den Urinproben je eine multiresistente Klebsielle und ein multiresistenter E.coli (3MRGN). In 18 weiteren Isolaten führten Mehrfachresistenzen gegen gängige Oralantibiotika (z.B. gegen Ciprofloxacin + Cotrimoxazol + Ampicillin) zu einer deutlichen Anhebung des Niveaus der Antibiotikaresistenz und damit zur Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten. Zwar ermöglicht die geringe Probenzahl keine umfassende Aussage, allerdings geben die Ergebnisse einen Hinweis, dass sich die Angaben der Literatur mit Resistenzraten zwischen 70% und 90% zumindest bei unseren Patienten nicht bestätigen lassen.
Zur Feier des Tags der deutschen Einheit erhielten wir von der Botschaft eine Einladung. Bei Käsespätzle und – oh Wunder – Fassbier ergaben sich interessante Gespräche mit dem Botschafter Dr. Prinz, den Botschaftsangehörigen und Geschäftsleuten. Das Interesse an der Arbeit der German Doctors ist anscheinend groß und die Wertschätzung beeindruckend.
Behandlung unter Polizeischutz
Die letzte Woche meines Aufenthaltes war von beunruhigenden Ereignissen überschattet. Infolge zweier dubioser Mordfälle an Ausländern wurden wir auf Anweisung der Regierung kurzerhand unter Polizeischutz gestellt. Praktisch bedeutete das, dass wir nur noch mit Polizeieskorte zu unseren Einsatzorten fahren konnten.
Die Aufmerksamkeit aller Passanten war uns damit gewiss. Einschneidender war, dass wir unsere Wohnung in der Manda-Road nicht mehr ohne Begleitung verlassen durften. Damit entfielen die herrlichen Ausflüge ins Grüne am Ende der Manda-Road, wo dereinst eine grüne Modellcity entstehen soll. Und es entfielen auch die Spaziergänge entlang der Manda- und Mugda-Road mit den vielen Shops, den pittoresken Fotomotiven und den vielen spontanen Gesprächen mit Passanten.