Heimweh nach Kolkata

Noch vor dem Abflug zurück nach Wien weiß Rosemarie Pichler, dass sie zu den "Wiederholungstätern" in unserer Runde zählt. Die Planung für einen weiteren Einsatz laufen schon.

Gleich nach ihrer Pensionierung hat Rosemarie Pichler unsere Runde an Austrian Doctors vergrößert.

Darüber freuen wir uns sehr! Wohnhaft in Wien doch eher in der Welt daheim, war sie im Ersteinsatz in Kalkutta, Indien. Über 30 Jahre hatte sie eine Praxis als Lungenärztin in Weiz in der Steiermark. Der Sprung von der eigenen Ordination in die etwas einfacheren Slumpraxen ist ein riesieger!

Hier schildert uns Dr. Rosemarie, wie sie vor Ort genannt wird, wie es ihr ergangen ist:

„Der erste Einsatz in Kalkutta liegt hinter mir.

Die Gefühle fahren Achterbahn, die Gedanken Ringelspiel… ein Zustand, der auch 8 Tage nach Rückkehr noch anhält.

Vieles wird für viele vor dem ersten Einsatz ähnlich sein und ist damit nicht berichterstattungswürdig, weil schon oft beschrieben. Das zunehmend mulmige Gefühl vor der Abreise, das Ungewisse, die neue Aufgabe, die andere Kultur. Nein, nicht nur eine andere Kultur erwartete mich. Es war ein Eintauchen in ein anderes Universum.

3 von 6 Wochen in Kalkutta habe ich mich in geistig, seelisch, körperlich, emotionalem Ausnahmezustand gefühlt. Dazu die große Hitze und 70-80% Luftfeuchtigkeit. Es war der heißeste Sommer in Indien seit 50 Jahren.

All das habe ich tagsüber ausgeblendet, haben mich doch die Patienten, ihre Beschwerden und die nur geringen zur Verfügung stehenden Mittel ausreichend beschäftigt.

Mehr Ärger hatte ich dann schon mit schlaflosen Nächten. Denn noch ein winziges trockenes Areal auf der durchgeschwitzten Matratze zu finden, war die nächste Herausforderung.

Meine vier Arbeitsplätze waren unterschiedlich „komfortabel“. Wenn ich Sterne vergeben müsste:

Foreshore Road, der Luxustempel **(*),
Shengail**
Bhojerhat **
Tikia Para minus 3*
Dieser Arbeitsplatz ist eigentlich eine Zumutung. Straßenlärm mit permanentem Gehupe auf der einen Seite, die Eisenbahn auf der anderen Seite.

Der Kompressor, der Strom für Licht und die Ventilatoren liefern soll (hin und wieder aber halt auch nicht), ohrenbetäubend. Und vor dem Untersuchungszimmer lautstark um einen Platz kämpfende Patienten.

Herz oder Lunge abhorchen? Ein phantastisch phantasievolles Unterfangen.

Blutdruck messen? Töne hören? Oftmals unmöglich. Ablesen erfolgt nach Gefühl und nach dem Ausschlag des Zeigers.

Meine beiden Übersetzerinnen Esther und Nasima entpuppen sich als wahre Goldschätze, sie tragen mich durch die ersten Tage und Wochen – sind mein Rettungsanker!

„Doctor: …chicken pox“. ich: keine Ahnung, dass chicken pox Windpocken sind.

Sie sind für mein „Nicht untergehen“ verantwortlich. Dafür DANKE!

Nach 3 Wochen tauche ich auf. Alles wird „rund“. Ich fühle mich wohl und zu Hause. Ich überlege, wie ich es anstellen könnte, 2 Einsätze in Folge zu leisten.

An den Wochenenden machen wir Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung. In die Sunderbans, nach Varanasi und Shantiniketan.

Und schon sind die 6 Wochen um.

Ich konnte einen Arbeitstag länger bleiben, aber eh ich mich’s versah, wartete der Fahrer und brachte mich zum Flughafen von Kolkata.

Dort beginnen die Eindrücke der letzten 6 Wochen Hochschaubahn zu fahren.

Gedanken und Erinnerungen – noch frisch- fahren Ringelspiel und ich habe Heimweh nach Howrah, obwohl noch gar nicht abgeflogen.

Der dringende Wunsch, im nächsten Kalkutta Einsatz all das anzuwenden und umzusetzen, was ich im ersten mühsam erarbeitet habe, lässt mich, zu Hause angekommen, sofort den nächsten Einsatz buchen. Somit ein „Wiederholungstäter“ mehr im Team von Austrian / German Doctors.“

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