Einsatz im Mathare Valley, Nairobi

Einsatzbericht von Dr. Adrienne Molnar

„Am Samstagabend wurde ich vom freundlichen Fahrer am Flughafen abgeholt und dann zum Haus gebracht, in dem die Kurzzeitärzte wohnen.

Am Montagmorgen, nach einem gemeinsamen Frühstück mit den Kollegen, fuhren wir mit dem Minivan Richtung Baraka Medical Center im Mathare Valley Slum.

Nach kurzer Führung und Kennenlernen wurde mir mein eigenes Untersuchungszimmer mit Übersetzerin zugeteilt. Dann konnte ich schon mit der Behandlung von Patienten beginnen.

Anfangs ist der Ablauf gewöhnungsbedürftig; direkte Kommunikation mit den Patienten ist in den allermeisten Fällen aufgrund der Sprachbarriere nicht möglich. Eine kurze Anamnese wird durch die Übersetzerin geführt, weitere Fragen übersetzt sie im Anschluss. Die Übersetzerinnen Sprechen sehr gutes Englisch mit weitreichendem medizinischen Vokabular. Die Patienten besitzen eine Behandlungskarte in Form von zusammengehefteten A4 Seiten auf denen bei jeder Vorstellung die aktuelle Anamnese, Diagnose und Therapie sowie der Wiedervorstellungszeitpunkt handschriftlich vermerkt wird.

In Baraka gibt es auch die Möglichkeit für Routine Laboruntersuchungen inkl. Untersuchungen von Stuhl- und Harnproben sowie Ultraschall. Auch Röntgenuntersuchungen sind auswärts nach Überweisung möglich.

Viele Patienten kommen mit für mich bekannten Krankheitsbildern, jedoch unterscheiden sich die Therapiemöglichkeiten von den mir bekannten. Die Patienten erhalten die verordneten Medikamente aus der Apotheke des Baraka Medical Centers.

Viele Patienten präsentieren sich mit multiplen Beschwerden, zumeist schon seit längerem bestehend. Die Arztbesuche werden oft aufgrund familiärer oder beruflicher Verpflichtungen aufgeschoben. Oft kommen die Patienten wiederholt mit gleichen Symptomen.

Natürlich gibt es auch viele für europäische Ärzte nicht alltägliche Erkrankungsbilder wie Malaria, Tuberkulose oder Wurmerkrankungen, aber auch alte Knochenbrüche und viele Verbrennungen.

Herausfordernd sind die Patienten, die sich viel zu spät mit zum Teil fortgeschrittenen Krebserkrankungen an einen Arzt wenden. Auch sind viele Patienten HIV-positiv.

Der HIV Test gehört in Mathare zum Behandlungsstandard. So kommt es, dass man ungefähr jeden zweiten Tag bei einem der Patienten eine HIV Infektion feststellt. Zum Glück gibt es in Baraka ein HIV Programm, in das die Patienten sofort aufgenommen werden und Medikamente erhalten. Der Erfolg der Therapie ist jedoch stark von der Compliance der Patienten abhängig. Sie müssen zu den Kontrollen erscheinen um neue Tablettenrationen zu erhalten. Leider gibt es viele Patienten, die diese vereinbarten Kontrollen erst Wochen später oder gar nicht wahrnehmen.

Manche Patienten können nicht ausreichend in Baraka behandelt werden oder es bedarf weiterer Diagnostik in einem Krankenhaus, leider können sich die meisten Patienten diese Maßnahmen nicht leisten.

Akut kranke Patienten können mit dem Rettungswagen in eines der Krankenhäuser in Nairobi überstellt werden, den weiteren Verlauf des Patienten erfährt man in der Regel nicht….

Um 17:00 schließt das Baraka Medical Center seine Tore und die meisten Einsatzärzte ziehen es vor, den Nachhauseweg zu Fuß zu bestreiten umso auch täglich das muntere Treiben in Mathare in sich aufnehmen zu können.

Das tägliche gemeinsame Abendessen im Ärztehaus habe ich stets genossen. Im Kreis der Kollegen haben wir die spannenden Fälle und auch traurigen Ereignisse des Tages besprochen und so den Tag gemütlich ausklingen lassen.

Täglich wird man mit vollen Wartezimmern konfrontiert, man behandelt die Patienten nach dortig besten Möglichkeiten. Dennoch hatte ich immer im Hinterkopf, wie einfach man hier in Österreich gewisse Krankheiten behandeln kann. Nur leider gibt es diese Option für die Einwohner des Mathare Valley Slums nicht. Aber im sehr familiären Umfeld des Baraka Health Centers, wo alle Kurzzeitärzte warmherzig aufgenommen werden und in den Mittagspausen stets fröhliche Stimmung herrscht, rücken die belastenden Ereignisse in den Hintergrund und die Zeit vergeht im Flug. Ich bin stets verwundert, wie viele Erfahrungen, bewegende Patientengeschichten und Erlebnisse mich in diesen 6 Wochen bereichert haben und bin froh, mich dieser Herausforderung gestellt zu haben.“

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